Roche kauft chinesische Brustkrebs-Pipeline
Roche kauft spezifische Wirkstoffkandidaten in China ein, aber auch ein kanadisches Start-up wird wegen des speziellen Know-hows eines einzelnen Signalweges aufgekauft. Die einstige Innovationsschmiede Genentech in Kalifornien sieht dabei nicht mehr unantastbar aus.
Ein von Regor Pharmaceuticals entwickeltes Portfolio von CDK-Inhibitoren wurde von Roche übernommen. Das Unternehmen gab Ende September bekannt, die Krebsmedikamente für 850 Mio. US-Dollar im voraus zu kaufen.
Die in Cambridge, Massachusetts (USA), und in China ansässige Firma Regor wird zwei laufende Phase I-Studien mit dem CDK4-Hemmer RGT-419B bis zum Abschluss begleiten. Danach wird die Roche-Tochter Genentech die weltweite klinische Entwicklung, Herstellung und Vermarktung des Wirkstoffs übernehmen. Die Vereinbarung umfasst auch weitere CDK4-Inhibitoren für Krebserkrankungen. Die Rede ist von bis zu 20 weiteren Medikamentenkandidaten.
Im vergangenen Dezember hatte Regor die Ergebnisse einer Phase Ia-Studie mit RGT-419B vorgestellt, die zeigten, dass das Medikament bei Patientinnen mit fortgeschrittenem HR+/HER2-Brustkrebs, die bereits mit CDK4/6-Inhibitoren und endokriner Therapie behandelt wurden, sicher und gut verträglich war. Auch in der Monotherapie wurde eine klinische Wirksamkeit beobachtet, meldete Regor. Die Vereinbarung, die voraussichtlich im vierten Quartal dieses Jahres abgeschlossen wird, sieht vor, dass Regor bei Erreichen bestimmter Entwicklungs-, Zulassungs- und Vermarktungsmeilensteine Anspruch auf zusätzliche Barzahlungen hat. „Genentech ist gut positioniert, um das volle Potential dieser neuartigen Therapeutika zum Nutzen von Brustkrebspatientinnen auf der ganzen Welt auszuschöpfen“, sagte Xiayang Qiu, Gründer und CEO von Regor, zu dem Deal.
Speerspitze Genentech?
Der Einkauf von externer Innovation ist für die einstige Vorzeige-Innovationsschmiede Genentech etwas Ungewohntes. In den vergangenen Wochen sorgten Genentech und Roche eher durch eine Reorganisation der Krebsforschung für viel Wirbel auf diversen Branchenplattformen. Die eigenständige Immun-Onkologie-Forschung unter Ira Mellman wurde aufgelöst, der Veteran verabschiedete sich vom Unternehmen. Mit dem im Frühjahr verkündeten Ende der milliardenschweren Entwicklungspartnerschaft mit Adaptimmmune in der T-Zelltherapie wird der Strategiewechsel beziehungsweise eine Rückbesinnung auf die molekularen Krebsmedikamente noch deutlicher. Mit der Aufgabe einiger frühphasiger Onkologieprojekte von Genentech im gleichen Zug und nun der Hereinnahme von externen Wirkstoffen stellt man den kalifornischen Forschern allerdings kein gutes Zeugnis aus. Auf der anderen Seite hat die Schweizer Zentrale durch die Ernennung von Teresa Graham zur Chefin der Pharmasparte auch deutlich gemacht, dass Genentech noch näher an das Baseler Hauptquartier herangerückt werden soll, allerdings nicht dessen Innovations- und Forschungskompetenz. Graham war seit 2005 bei Genentech und machte dort als Ökonomin eine Karriere in Verkauf und Vertrieb. Derzeit baut Roche eher die Kapazitäten in Basel selbst aus und steckt viel Geld in das neue Forschungszentrum. Mit der Biotech-Glorifizierung der kalifornischen Innovationsbrutstätte Genentech haben die Schweizer für Branchenbeobachter immer ein wenig gefremdelt.
Roche hat derzeit fünf Brustkrebstherapien auf dem Markt: den Klassiker Herceptin sowie Tecentriq (bei dreifach-negativem Brustkrebs) und dazu die neueren Wirkstoffe Perjeta, Kadcyla und Phesgo, die im ersten Halbjahr dieses Jahres zusammen einen Umsatz von 4,38 Mrd. US-Dollar erzielten. Perjeta war im ersten Halbjahr das drittumsatzstärkste Medikament von Roche. Am 27. November steht der PDUFA-Termin (Prescription Drug User Fee Act, das Datum, an dem die FDA auf einen Zulassungsantrag reagiert haben muss) für ein sechstes Brustkrebs-Medikament des Schweizer Konzerns an: Inavolisib, für das das Unternehmen die Zulassung für die Erstlinienbehandlung von PIK3CA-mutiertem Hormonrezeptor-positivem Brustkrebs beantragt.
Doch Zukaufen von externer Innovation findet bei Roche unabhängig von der globalen Region statt. In einer zweiten kürzlich nur am Rande bekannt gewordenen Transaktion übernahm Roche das Biotech-Start-up AntlerA Therapeutics, eine jüngere Ausgründung der kanadischen Universität von Toronto und erwarb damit eine Bibliothek von Anti-FZD/LRP-Wirkstoffkandidaten. Laut Fierce Biotech sieht Roche den führenden präklinischen Wirkstoff von AntlerA, einen Antikörper zur Modulierung des WNT-Signalweges, als eine „potentielle Best-in-Class-Behandlung“ für neovaskuläre altersbedingte Makuladegeneration und diabetisches Makulaödem. Finanzielle Einzelheiten wurden zu diesem Aufkauf nicht bekannt gegeben.